Im Jahre 2013 erschien in der 33. Auflage der kleine Pappband mit 24 Seiten und dem Titel „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat.“. Verfasser ist Werner Holzwarth. Die Illustrationen stammen von Wolf Erlbruch. Mittlerweile ist mindestens schon die 39. Auflage erschienen. Zu den Kinderbüchern des Peter Hammer Verlags ist zu fragen, ob noch weitere, ähnliche Hämmer im Handel sind. Das ZEIT-Magazin soll angeblich geschrieben haben: „Die witzigsten und skurrilsten Bilder, die es derzeit zwischen Buchdeckeln gibt.“ Witze bewegen sich ja heutzutage nur zu gerne zwischen Knie und Bauchnabel. Speziell die Ausscheidung des Menschen dringt rein sprachlich in alle Bereiche vor. Erwachsene jeder Bildung und jeden Standes überschlagen sich, zeit- und jugendangepasst zu sprechen. Die hohe Auflage zeigt die Beliebtheit dieses Kinderbüchleins bei Jung und Alt.
In diesem Trend schließlich erzielte das Buch auch noch einen Preis. Rund 522 000 Euro war das Machwerk des völlig überraschten und auch geschockten „Autors“ wert. 225 Kandidaten aus 60 Ländern waren ins Hintertreffen geraten. Man muss bedenken, welchen heillosen Ramsch diese wohl verfasst haben müssen, damit der beschissene Maulwurf einen Preis bekam. Der Astrid-Lindgren-Preis für Kinder- und Jugendliteratur wurde unter anderem so begründet: „Wolf Erlbruch macht existenzielle Fragen für Leser jeden Alters zugänglich und handhabbar.“ Ältere haben hier wohl etwas nachzuholen. Die existenziellen Fragen nach verschiedenen Formen von Exkrementen wurden so arg „handhabbar“ nun auch wieder nicht, obwohl von Wärme die Rede ist. Dem Autor wird unterstellt: „(...) tief in humanistischen Idealen verwurzelt (...), präsentiert seine Arbeit das Universum in unserem Maßstab.“ Es wirft ein eigenartiges Licht auf die humanistisch genannten Ideale und den Maßstab des Universums aus der Sicht der Jury. Vermutlich wurden humanistisch und humanmedizinisch verwechselt und der Maßstab des Universums wird durch Kot erst richtig abgerundet.
Die „AUGSBURGER ALLGEMEINE“ war sich nicht zu schade, darüber hymnisch zu berichten. Diese Zeitung verbündet sich bekanntlich optimal mit dem Niveau ihrer Leser. Informationspflicht und Informationsbedürfnis, Informationsaustausch und Infotainment ergänzen sich. Man hatte sich nicht zum ersten Mal auf dem Level von tierischen Ausscheidungen verbreitet wie, um nur ein Beispiel zu nennen, in dem ausführlichen Bericht „Bieselnde Katze löst Streit aus“. Solche Berichte sind informativ und unterhaltsam und dadurch beliebt. Zwanglos wird der Leser durch die Gerichtsinstanzen geführt. Er bekommt Einblicke in Gutachten und Kosten. Indirekt wird sogar eine Art Lebenshilfe geboten. Auch auf der Kinderseite wird vergleichbar Unterhaltsames gezeigt: Die attraktive und poetisch durchgestylte Überschrift: „Schlange im Klo, Biss in den Po“ lenkt die Aufmerksamkeit und regt die zarte Altersgruppe zum Lesen an.
Jeder Erfolg findet Trittbrettfahrer. Mit der CD „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf dem Kopf gemacht hat DAS MUSICAL“ versuchte der PATMOS-Verlag sich einzuklinken. Bezeichnenderweise heißt es nicht „Ein Musical“. Es sollte wohl signalisiert werden, dass hiermit das glorreiche Ende – auch thematisch ganz unten – für das Genre Musical erreicht sei. Es wurde die Chance eröffnet, mittels Geräusch und Sound das Geschehen dramatisch zu untermalen. Gibt es doch etliche Komponisten, die durch Fagott und Posaune den Vorgang der Darmentleerung einschlägig ausdrücken, ohne dies direkt gewollt zu haben. Diese Möglichkeit wurde auf der CD kaum genutzt. Eine andere, außerordentliche Möglichkeit aber bot sich, als „DAS MUSICAL“ seinen Weg auf die Bühnen fand: Landauf landab scheinen sich die Theater um diesen Stoff gerissen zu haben vermutlich, weil nichts Besseres zu haben war. So stehen nun „Der kleine Prinz“ (oft bis zur Unkenntlichkeit verhunzt) und unser Maulwurf manchmal einträchtig nebeneinander auf dem Spielplan. Zur mit schier unerträglicher Spannung erwarteten Eröffnung des restaurierten Augsburger Stadttheaters (circa 2023 bis 25) würde sich „DAS MUSICAL“ bestens als Wiederaufnahme eignen. Könnte doch wirksam gezeigt werden, welche geruchstechnischen Spezialeffekte die runderneuerte Anlage zu bieten hat und womit bereits Kinder zum modernen Theaterbetrieb hingeführt werden können. Durch authentische Gestankswellen könnten die optischen und akustischen Eindrücke zum Gesamtkunstwerk gesteigert werden.
Der arme Maulwurf nun fandet nach dem Verursacher dieser „Wurst“ auf seinem Kopf. Heiter und freundlich beweisen ihm etliche Tiere durch ihre spontanen Ausscheidungen, dass das Corpus Delicti nicht von ihnen stammen kann. Taube und Pferd, Hase und Ziege, Kuh und Schwein präsentieren bereitwillig und eindrucksvoll ihre Exkremente. Schließlich kommt der Maulwurf mithilfe von Fliegen, die sich auf ihrem Fachgebiet, den Häufchen, besonders gut auskennen, auf den Metzgershund und gibt dessen Eigentum zurück, indem er es auf dem Kopf des Hundes platziert. Unwillkürlich fragt man sich: Wäre die lustige Reihe der Kotproduzenten nicht fortsetzbar gewesen, um das mit insgesamt 24 Seiten etwas dürftig gestaltete Büchlein umfangreicher auszustatten? Der Igel und die Spitzmaus sind ebenfalls bedeutende Stinker. Vielleicht hätte auch das Nonnenfürzchen Verwendung finden können. Man fragt sich des Weiteren, welche Themen für Kinderbücher überhaupt noch in Betracht kommen. Natürlich sollten sie auch einfühlsam illustriert werden können. Die Olchis als Dreckspatzen vom Müll- oder Schrottplatz sind völlig passé. Kult ist inzwischen die Serie vom kleinen Arschloch. Wahrscheinlich sind die meisten anderen Themen für Kinderbücher schon längst ausgelutscht. Vielleicht sollte eine neue Unterabteilung literarischen Schaffens kreiert werden: die Analliteratur. Allerdings kann hinter diesem Bilderbogen aus Afterschweinereien eine verspätete Huldigung auf Sigmund Freuds überholte Theorie einer analen Phase gesehen werden, die annimmt, dass auf einer Stufe der frühkindlichen Entwicklung mit den Vorgängen der Kotentleerung libidinöse Erlebnisse verbunden sein sollen. Ein entspannter Umgang mit dieser heiklen Thematik kann durch das Büchlein durchaus gefördert werden.
Leider ist die Wissenschaft auch nicht mehr das, was sie einmal war: Verena Rheinberg und Jana Paßmann bieten eine „pädagogisch-didaktische Betrachtung“ zum armen Maulwurf: Dieser zeigt sich nach Ansicht der Pädagoginnen „frech“ und mit „großem Mut“ gegen die „Ungerechtigkeit“, die ihm widerfahren ist. Seine „emotionale Erregung“ ist fein illustriert. Die Besprechung versteigt sich allerdings zu der abwegigen Aussage: „Ansprechend“ (...) wird „ein Szenario abgebildet, welches im realen Leben zutreffen kann.“ Wie sich dies in den Köpfen der beiden Pädagoginnen abspielt, zeigen die Sätze: „Exkremente werden zur Interessenlage.“ Und man darf hinzufügen: für Kinder im Rahmen des „großen Themas der Reinlichkeitserziehung“. Aha! Der Kot auf dem Kopf des Maulwurfs trägt eindeutig dazu bei. Über 15 Seiten hinweg behält der Maulwurf das Würstchen auf dem Kopf. Was ist daran (reinlichkeits-) erzieherisch wertvoll? Rein literarisch betrachtet ist natürlich die „implizite Lesewirkung“ nicht zu unterschätzen: Sie bietet durch die Identifizierungsmöglichkeit mit dem tapferen Maulwurf ein „kritisches, selbstbewusstes, mutiges und neugieriges (...) Vorbild für jedes Kind“. Kunstvoll ist diese Botschaft vermittelt: Der Maulwurf als „Ich-Erzähler“ und der „auktoriale Erzähler“: „beide narrativen Ebenen“ sind in der Form des „geflochtenen Zopfes“ verschlungen. Insgesamt zeichnet sich der Text als überaus kindgerecht aus „durch einen einfachen Wortschatz, Parataxe, eine übersichtliche Anzahl an Charakteren, durch eine klare Pro- und Antagonisten Haltung sowie durch einen lösungsorientierten Handlungsstrang“. Und zu guter Letzt wird formuliert: „In ästhetischer Hinsicht wird bildhaft spielerisch erklärt, wie die Exkremente von unterschiedlichen Tieren aussehen.“ Da Ästhetik die Wissenschaft vom Schönen bezeichnet und sogar das Schöne und die Schönheit selbst, ist die umfassende Aussage des Büchleins: Exkremente sind einfach wunderbar.
Rätselhaft bleiben nur zwei Umstände, die man auch als eine Art Regiefehler der Illustrationen bezeichnen könnte: Erstens hat der Maulwurf auf den vier letzten Bildern das Würstchen nicht mehr auf dem Kopf, obwohl er es erst auf dem vorletzten Bild „zurückgibt“. Zweitens ist eben dieses Würstchen auf dem Hundekopf (vorletztes Bild) so klein, dass es wohl kaum von diesem riesenhaften Hund stammen kann. Diese ungelösten Spannungen werden eingerahmt von der illustrativen Dynamik schon auf der Titelseite, wo der Maulwurf bereits energisch in Fahrt ist, und der Rückseite des Buches, die Beruhigung ausstrahlt in den beiden Schlusspunkten zweier „Pferdeäpfel“ mit Fliegen drauf. Alles aber ist durchzogen von einem tiefergelegten, abgründigen Humor, der heutzutage irgendwie automatisch mit Exkrementen verbunden zu sein scheint.